Antwort auf: [Sept/Okt 2017] Monster-Chat

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La Befania
Teilnehmer

Als ich heute morgen zu meinem Schreibtisch ging, fand ich dort ein kleines, türkisblaues Monsterchen vor. Kinilla saß neben den beiden Motivationsfiguren, die mir letztes Jahr von den Zwillingen geschenkt worden waren.
„Was machst du denn hier? Ich dachte, du meditierst…“, brachte ich verblüfft hervor.
Kinilla sah mich daraufhin nur leicht tadelnd an und griff ohne zu antworten nach dem Feuerzeug. Diesen Blick kannte ich bei ihr. Irgendetwas passte ihr nicht. Aber wie ich sie kannte, würde sie bestimmt gleich damit rausrücken. Ich musste nur erst warten, bis sie sich für die passende Duftkerze entschieden hatte. Hell genug war es zwar, aber für Kinilla kam eben immer erst richtig feeling auf, wenn wir bei Kerzenschein zusammen saßen.
Heute war ihr offenbar nach Rosenduft. Geschickt entflammte sie das Feuerzeug mit ihren augenscheinlich dafür viel zu dicken Pfötchen und zündete den Docht an. Ein angenehmes Flackern sprang sogleich von der Kerze zu ihr über und ihre Augen strahlten die Wärme aus, die ich durch die kleine Flamme nicht wahrnehmen konnte.
Sie drehte sich wieder zu mir und sagte: „Ich habe keine Zeit zu meditieren. Du wolltest doch dieses Jahr am NaNoWriMo teilnehmen.“
„Ja, natürlich. Aber es ist doch erst Oktober.“, protestierte ich gespielt. Es war ja nicht so, als würde ich mich nicht freuen, dass meine Kleine mich auch diesen Monat unterstützen wollte.
„Aber bist du auch wirklich auf den November vorbereitet? Meiner Ansicht nach hast du viel zu wenig gemacht in letzter Zeit. Sieh mich nur an.“ Mit diesen Worten deutete sie an sich hinunter und ihr schien nicht bewusst zu sein, dass ihr Bauch genauso rund war, wie eh und je. Zwar hatte sie letzten Monat weniger zu Essen bekommen, als im August, aber am Hungertuch nagte sie offensichtlich nicht. Doch für Kinilla schien das Beweis genug zu sein und sie lies keine Ausflüchte gelten. Ich musste ungewollt grinsen bei ihrem mitleiderregenden Blick. Sofort sah ich weg, um sie nicht zu kränken. Dabei fiel mein Blick allerdings auf etwas anderes Interessantes. Eine verräterische Spur aus Wassertropfen führte am anderen Rand des Schreibtisches entlang.
„Kinilla“, setzte ich wieder ernster an, „wo ist Nomi?“
Jetzt war es an Kinilla sich ein Lächeln zu verkneifen. Sie gab ihr Bestes, es zu vertuschen, aber die Mundwinkel schnellten immer wieder nach oben zurück. Was führten die beiden nur im Schilde?
„Das sage ich dir, wenn du mir vorher auch eine Frage beantwortest“, forderte sie zu meiner Überraschung.
„Okaay…“, murmelte ich vorsichtig und sah sie skeptisch an.
„Erzähl mir, warum du glaubst, der NaNoWriMo könnte doch zu viel für dich sein. Ich sehe doch, dass dich ein paar Bedenken quälen.“
Ich antspannte mich wieder.
„Ach so. Darum geht’s. Aber du weißt doch, dass ich lieber dem Optimismus nachgebe, als irgendwelchen Bedenken. Ich bin wirklich voll motiviert im November einen fleißigen Schreibmonat zu machen, das kannst du mir glauben.“
„Das glaube ich dir ja, aber wer weiß, ob dich deine Bedenken nicht doch noch überzeugen, bis zum Ende des Monats. Es ist bestimmt besser, wenn du sie mir erzählst.“
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Nichts Ernstzunehmenedes.“
Jetzt sah Kinilla mich wieder vorwurfsvoll an. Sie ging ein paar Schritte über meinen Schreibtisch zu einem kleinen Notizbüchlein und schlug demonstrativ eine Seite auf.
„Denk an das Manuskript! >Die Gefühle, deren Existenz verleugnet werden, verlangen gehört zu werden!<“
Und schon hatte sie mich wieder am Haken.
„Du hast recht. Ich solte sie nicht einfach ignorieren.“
Also begann ich brav in mich hinein zu hören. Es dauerte auch nicht lange, da saß auf meiner rechten Schulter ein mir wohlbekanntes kleines Monsterchen. Es änderte öfters seinen Namen, stattete mir aber regelmäßige Besuche ab. Momentan nannte es sich Diva.
„Darf ich vorstellen? Mein schlechtes Gewissen, die Logik, die Angst und der Zorn. Ihre Manifestation, die Diva Belzebub“, machte ich Kinilla in einer gespielt großspuriger Vorstellung mit dem kleinen Kerlchen bekannt, welches durch runde Kulleraugen in die Welt blickte und es irgendwie fertigbrachte die schwarzen Kugeln so aussehen zu lassen, als würde es alles missbilligend mustern. Zu seinem Nachteil konnte es sie allerdings nicht zusammenkneifen. Das hatte es noch nie gekonnt, denn seine Augen waren wie aufgenähte Knöpfe, wenn auch ausgefüllt mit Schwäre, durch die immer wieder etwas funkelte. Auch wenn es nach dem Bild „Engelchen und Teufelchen“ wohl die Rolle des Teufelchens inne hatte, meinte es Diva Belzebub immer nur gut. Ihre oder seine Ansichten der Welt waren nur etwas anders als meine. Es handelte sich um sehr misstrauisches und besorgtes Wesen, das immer darauf bedacht war, mich zu schützen. Am liebsten ja vor mir selbst und durch meine eigenen Empfindungen. Aus diesem Grund konnte ich es einfach nicht ständig wegignorieren oder gar hassen. Der drollige Geselle war ein Teil von mir und man musste ihn nur immer wieder zeigen, wann es nicht nötig war, sich so aufzuspielen. Es wegzuignorieren machte ihn nur traurig und brachte ihn dazu, sich noch mehr aufzuplustern, um eine Gelegenheit abzupassen mich mit seinen gestauten Gefühlen zu überrollen.
Momentan war es allerdings nicht so kugelrund und riesig, wie es sich manchmal gerne präsentierte. Statt Stelzen trug es auch nur holzschuhe mit einer kleinen Erhöhung. Momentan sah es also keinen Grund sich wirklich groß zu machen. Das beruhigte mich ein wenig.
Ich stellte Diva Belzebub daher auch Kinilla vor, die ihm freundlich zunickte. Das Monsterchen auf meiner Schulter erblickte sie und erkannte sie sofort als potentielle Meinungskonkurentin. Es holte tief Luft und wuchs gleich um die doppelte Größe an. Dann begann es mir angeregt ins Ohr zu flüstern.
Ein paar Momente lauschte ich und versuchte alles völlig neutral in mich aufzunehmen. Dann steckte ich dem Monsterchen eine Schokoladenkugel in den Mund und wandte mich wieder Kinilla zu. Diese hatte das Schauspiel jetzt doch etwas irritiert verfolgt.
„Es sagt, ich solle mir das mit dem NaNoWriMo nochmal gut überlegen, denn immerhin habe ich auch für die Schule noch einiges zu tun. Ich solle meine Kraft lieber aufsparen und nicht noch andere Dinge machen.“
Kinilla nickte.
„Wusste ich es doch. Man hat dir angesehen, dass es kleine Bedenken gibt.“ Sie sah zu dem Monsterchen, das angestrengt an der Schokokugel kaute. „Aber anscheinend wachsen sie ja sogar, wenn sie ein Motivationsmonster wie mich sehen.“
Das hatte sie gut erkannt. Es lag in Divas Natur zu wachsen, wenn sie sich bedroht fühlte. Selbst wenn sie angst hatte oder verbreitete plusterte sie sich nur auf und würde sich niemals einfach so verkriechen. Angst war für sie nichts weiter, als ein Beschützermechanismus. Nicht anders, als bei vielen anderen Empfindungen, wie Ungerechtigkeit oder Besorgnis der Logik wegen. Und sie gab ihr Bestes, dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Jetzt hatte sie die Schokokugel entdlich klein bekommen und begann nochmal ganz aufgeregt auf mich einzureden. Mir schwirrte ein wenig der Kopf, um so länger ich ihr Gehör schenkte.
Also stopfte ich ihr erneut eine Schokokugel in den Mund. Diesmal würde es allerdings nicht ganz so lang dauern, bis sie wieder zu Wort kam, dass wusste ich aus Erfahrung.
Schnell berichtete ich also Kinilla, was ich eben noch erfahren hattte.
„Wenn ich genauer hinhöre, dann zählt meine Sorge auch auf, dass ich schonmal einen wichtigen Termin auf jeden Fall im November habe. An diesem Tag und am Tag darauf werde ich wohl wenig, bis überhaupt nicht schreiben können. Auch andere Termine gibt es, die mich etwas einschränken werden oder könnten. Und es werden wohl noch weitere dazu kommen.“
Kaum war ich fertig mit dieser Erklärung plapperte die Diva auch schon wieder los. Sie schien das Gefühl zu haben, nicht richtig ernst genommen zu werden, denn sie wuchs und hüpfte auf einmal auf meiner Schulter auf und ab. Selbst Kinilla konnte jetzt ein paar Fetzen ihrer Aussagen verstehen.
Behutsam schnappte ich das Monsterchen in seinem Wachstumsprozess aus der Luft und nahm es auf die Hand. Dann sah ich ihm in die runden Äuglein und sagte: „Danke.“
Dieses Wort beruhigte die Diva sofort. Sie sah mich verwirrt an und schien nicht zu verstehen, was ich von ihr wollte. Also legte ich ihr einen Pinsel in die Pfote und nickte, als wäre damit alles gesagt. Die Diva verstand und löste sich wieder auf.
Kinilla und ich waren wieder allein.