Manchmal geht es nicht ums große Ziel. Kein Halbmarathon, den ich im Herbst mitlaufen will, nicht das Aufräumfest, dessen fulminantes Finale ich an Mittsommer feiern will. Manchmal geht es um das Tägliche, Kleine. Jeden Morgen die Waschbecken auswischen. Wäsche falten und gleich wegräumen, sobald sie trocken ist. Dreißig Minuten an der frischen Luft verbringen. Und apropos, frische Luft: Einmal am Tag die Wohnung durchpusten lassen.
Es sind kleine Dinge und sie sind so schnell erledigt. Aber es sind kleine Dinge, die jeden Tag, oder zumindest regelmäßig, zu machen sind. Und damit werden sie auf Dauer zu größeren Monstern als es ein Halbmarathon je sein kann. Der Halbmarathon hat einen Termin, hat Eckdaten – 21,1 km laufen. Wenn ich es wirklich will, kann ich mir dieses Ziel setzen, mich mit Disziplin und Tatendrang darauf vorbereiten und ihn am Ende absolvieren. Ziel geschafft!
Von nun an laufe ich jede Woche wenigstens 10 km. In den letzten Vorbereitungswochen habe ich das schließlich alle paar Tage gemacht, das ist ja ein Klacks.
Nun, ich bin noch keinen Halbmarathon gelaufen, aber ich habe Schreibmarathons absolviert. Und ich weiß: Es ist viel leichter in einem Monat 50.000 Wörter zu schreiben als jeden Tag im Jahr 200. Es ist auch leichter an einem Wochenende den gesamten Kleiderschrank auszuräumen, alles was drin ist auf einen Haufen, macht es mich glücklich? – wenn nein, dann weg, was bleibt wird neu gefaltet und sauber zurückgestellt. Leichter, als jeden Tag schmutzige Wäsche in die Waschmaschine zu räumen, die gewaschene Wäsche aufzuhängen, abzuhängen, zu falten und zurück in den Schrank zu räumen.
Mit meiner Wäsche bin ich soweit ganz gut. Okay, im Moment hängen auch trockene Kleidungsstücke auf dem Wäscheständer, die ich gestern schon hätte abhängen können. Aber nehmen wir 200 Wörter am Tag. Geschrieben habe ich in diesem Monat noch nicht ein Wort.
21 bis 66 Tage
Sich täglich, wirklich täglich aufraffen ist der Horror. Angeblich jedoch, endet dieser Horror irgendwann. Je nachdem, wo man nachliest, nach 21 bis 66 Tagen.
Bei mir sind es definitiv keine 21 Tage. Ja, ich sträube mich nach einer Weile nicht mehr, eine Sache zu machen. Aber eigentlich sträube ich mich auch am Anfang nicht dagegen. Ich will diese kleine Gewohnheit ja annehmen, sie zur Routine machen. Es läuft auch gut, phasenweise, bis – irgendetwas passiert. Kranksein. Oder einfach nur Urlaub. Die Routine wird unterbrochen, und ich schwöre, anschließend ist alles mindestens doppelt so lästig wie am ersten oder am fünften oder am zweiundzwanzigsten oder am siebenundsechzigsten Tag.
Durchhalten?
Lassen wir das also. 21 oder 66 Tage, es geht nicht darum, wie lange ich etwas durchhalte. Es geht nicht ums Durchhalten. Ich versuche nicht, mir das Rauchen abzugewöhnen, wobei mir eine olle Zigarette, die zum falschen Zeitpunkt meinen Weg kreuzt, zum Verhängnis werden kann. Ich möchte täglich meine Wohnung lüften, und hey, wenn ich sie gestern nicht gelüftet habe – hatte ich einen Tag lang schlechtere Luft und weniger Sauerstoff, aber das hindert mich nicht daran, die Fenster heute aufzureißen.
Tägliche Ziele
Ich setze mir also nicht das Ziel, jeden Tag die Wohnung zu lüften – und an dem Tag, an dem ich es nicht tue, bin ich gescheitert. Ich setze mir stattdessen jeden Tag aufs Neue das Ziel: Fenster auf. Jeden Tag aufs Neue: Schreib.
Und weil ich auf Belohnungssysteme stehe und mich an Erfolgen, auch wenn sie winzig sind, gern weide, male ich mir einen Tracker.
Mein Tracker
Ich nehme ein kariertes DIN-A5-Blatt, quer, und schreibe alles, was ich täglich oder regelmäßig machen möchte, untereinander. Diese erste Spalte braucht ein wenig Platz, alle weiteren nur je ein Kästchen. Die Kästchen nummeriere ich durch, von 1 bis 28 für den Monat Februar. Im Januar brauchte ich 31. Und dann male ich täglich jedes Kästchen aus, wenn ich die zugehörige Aufgabe erfüllt habe.
Ich will mich damit nicht unter Druck setzen. Es ist nicht mein Ziel, am Ende des Monats ein vollständig ausgemaltes DIN-A5-Blatt vorweisen zu können. Manche gelisteten Aufgaben will ich gar nicht täglich machen, nur eben regelmäßig. Aber indem ich jeden Tag auf den Tracker schaue, erinnere ich mich an sie. Und indem ich meine Kästchen ausmale, was großen großen Spaß macht, belohne ich mich dafür, auch an einem Tag, an dem ich eigentlich keine Lust hatte, einen Lappen in die Hand zu nehmen, das Waschbecken ausgewischt zu haben.
Eventuell wird der Tracker eines Tages zu neuen Zielen führen. Im Moment ist er einfach nur da. Und er ist bunt. Und ich liebe es, ihn anzuschauen.
Und das hier, wenn auch nur im Rahmen eines Blogbeitrags, ist gerade das 736. Wort, das ich in diesem Monat schreibe.